wolfsgeheul.eu vom 29.10.2015

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Kaum etwas ist lästiger und zuweilen ärgerlicher als schlechtes Benehmen. Es drückt auf die Stimmung und erschwert den Umgang miteinander. Dabei ist gutes Benehmen nicht schwierig. Die Regeln sind einfach und ihr Verstehen und Umsetzen nicht an eine besondere Intelligenz gebunden. Dabei war es unerheblich, daß es sich nicht um festgeschriebene, geschweige durchsetzbare Gesetze und Rechte handelte, man hielt sich quasi aus freien Stücken an diesen gesellschaftlichen Komment, zeigte damit gleichzeitig seine Zugehörigkeit zur Gruppe und übermittelte seinen Mitmenschen eine gebührende Wertschätzung ohne Ansehen der Person. Und unstreitig hat es vor Jahrzehnten noch relativ reibungslos funktioniert zwischen allen Altersgruppen und Bildungsschichten.

Was ist geschehen, daß nunmehr ordentlich Sand im Getriebe zu sein scheint? Warum sind die Grundsätze nicht in ausreichendem Maße weitergegeben worden, und was fährt in die Älteren teilweise ihre gute Kinderstube und genauso ein- wie früher selbst ausgeübte Verhaltensweisen zu vergessen?

Daß wir inzwischen in einer „Hallo-Gesellschaft“ leben, ist noch das geringste Übel. Wenn insbesondere junge Menschen mich tatsächlich einmal mit „Guten Morgen!“ begrüßen, möchte ich ihnen am liebsten einen Euro in die Hand drücken vor lauter Freude.

Weit enervierender ist die zunehmende Nichtbeachtung der Regel „Erst raus, dann rein!“. Da öffnet man für sich die Tür und ohne mit der Wimper zu zucken drängt sich jemand ohne Rücksicht auf Verluste an einem gruß- und danklos vorbei in den Innenraum. Nur die gute alte, nach außen öffnende Kneipentür läßt dem Ungehobelten überwiegend keine Chance, wenngleich die Unfreiwilligkeit des Gehinderten der Makel des Vorzuges ist und bleibt.

Der Beispiele wären noch viele, und jeder kann sicherlich etwas dazu beitragen.

Aber noch schlimmer ist es für mich, daß Standesregeln nicht mehr ausreichende Beachtung finden. Unter Rechtsanwälten galt bis vor gut zwanzig Jahren noch das alte Standesrecht, das zwischenzeitlich vollkommen ohne Not einem neuen, offensichtlich nicht mehr so wirkmächtigen Berufsrecht weichen mußte. Als Organe der Rechtspflege hatten sich die Advokaten früher zu bestimmten Regeln selbst verpflichtet. So zum Beispiel der, daß man – egal wieviel Personal man beschäftigte – einen Kollegen immer selbst anruft. Heute hat man in geschätzt mindestens fünfzig Prozent der Fälle irgendein Mädel am Rohr, daß einen dann gnädig mit dem Kollegen ohne Manieren verbindet. Auch die Regel, einen Kollegen grundsätzlich und zeitnah zurückzurufen, ist nur noch selten in Kraft. Und da der Fisch vom Kopf stinkt, wird man dann von den nicht mehr richtig unterwiesenen Angestellten gebeten, es später erneut zu versuchen. Akzeptiert man das nicht und erbittet stattdessen den – eigentlich obligatorischen – Rückruf, erntet man nicht selten Unverständnis und wird Zeuge leicht unwilligen Notierens der Kontaktdaten, am besten mit dem Zusatz, man könne aber nichts versprechen, was wieder korrekt ist, weil der Chef ja nicht mehr weiß, wie es korrekt zu handhaben wäre. Vor Steigerungen kann man nicht sicher sein. Gestern habe ich im Bureau eines Kollegen angerufen, der meinen Anruf erwartete. Wie ich erfuhr, hatte er sich aber kurz zuvor spontan aus dem Staub gemacht. Das darf der Freiberufler und zeichnet ihn aus. Statt aber einen Rückruf zuzusagen, richtete mir die Anwaltsgehilfin aus, der Herr Rechtsanwalt habe ihr aufgetragen, mich zu bitten, ihr das, was ich zu sagen hätte, mitzuteilen. Ein absolutes No-Go, da nur die Berufsträger ihre Mandanten vertreten und für sie reden können und dürfen! Heute bekam ich dann von dem – inzwischen hatte ich das Internet dazu befragt – jungen Kollegen auch noch den Vorwurf, ich hätte mich geweigert, mit seiner Rechtsanwaltfachangestellten – so heißen heute die Anwaltsgehilfinnen – mich zu besprechen. Der Versuch, ihn auf seine Fehler aufmerksam zu machen, mißlang mir auf der ganzen Linie. Vollkommen ohne Unrechtsbewußtsein also! Schade auch für ihn, denn einem jungen Kollegen, der sich zu benehmen weiß, werfe ich grundsätzlich seine geringe Erfahrung nicht vor. Wir haben doch alle einmal angefangen. So aber gibt er den dummen Rotzlöffel und behindert sich selbst. Im übrigen schadet er gegebenenfalls damit auch noch den Interessen seiner Mandantschaft. Was läuft in der Juristenausbildung schief, daß solche schlecht ausgebildeten und unwissenden Grünschnäbel auf die Rechtspflege losgelassen werden?

Wenn wir hier das Ruder nicht wieder herumgerissen bekommen, geht dieser Welt einiges Angenehme und Erleichternde unrettbar verloren. Hoffentlich gibt es noch einmal eine Renaissance. In allen Lebensbereichen!

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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wolfsgeheul.eu vom 28.10.2015

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Das Leben ist uns geschenkt, und wie wir mit dem Geschenk umgehen, ist im weitesten Sinne uns überlassen. Kein anderer kann dabei wirklich beurteilen, geschweige denn Vorschriften machen, ob der Einzelne dieses Geschenk als Glück empfindet. Die objektiven Gegebenheiten eines Lebens determinieren nämlich nicht zwangsläufig ein entsprechendes Gefühl. Das bedeutet zum Beispiel, daß ein gesunder, in gesicherten Verhältnissen lebender Mensch genausowenig automatisch glücklich sein muß wie eine arme und kranke Person unglücklich. Der Volksmund sagt, man könne in niemanden hineinschauen. Das ist sicherlich richtig und gilt nicht nur für den ungeschulten Mitmenschen, sondern letztlich auch für den noch so kundigen Arzt oder Seelsorger. Jedes Individuum bleibt also für seine Umwelt im Innersten und Letzten ein Buch mit sieben Siegeln, allein schon deshalb, weil es erstens jeder in der Hand hat, was und wieviel er seiner Umwelt von sich offenbart, und zweitens keiner sicher sein kann, überhaupt alles von sich zu wissen. Wir bleiben uns also in Teilen immer auch (uns) selbst ein Rätsel. Genau dieses Fehlen letzter Klarheit und Wahrheiten macht das Leben spannend und teilweise unberechenbar. Keiner kann demnach sagen, das Geschenk „Leben“ sei einfallslos und langweilig. Das Gegenteil ist der Fall und macht die Einzigartig- und Kostbarkeit dieses ungefragten Präsentes aus.

Obige Überlegungen lassen bewußt den Glauben und den Einfluß Gottes außen vor. Es braucht sie nicht für die weiteren Ausführungen. Thematisiert werden sollen nämlich die Tötung auf Verlangen und der assistierte Suizid.

In der FAZ von heute findet sich ein sehr lesenswertes Interview mit Theo Boer, einem niederländischen Medizinethiker, zur Situation in unserem Nachbarland, das diese Handlungen schon lange legalisiert hat. Der zeitliche Zusammenhang liegt in dem Umstand, daß das deutsche Parlament in Bälde zu entscheiden hat, ob zukünftig bei uns  ähnlich verfahren werden darf und soll. Herr Boer konstatiert ein stetes Anwachsen der Fallzahlen und ein bis heute weitestgehendes Fehlen einer kritischen Reflektion der Erfahrungen zur Gesamtthematik. In der Konsequenz empfiehlt er uns, mit Entscheidungen solange zuzuwarten, bis ein belastbares Zwischenfazit aus den Niederlanden vorliegt.

Ein weiser Rat, der aber sicherlich nicht in die Hirne von Politikern vordringen wird, die davon leben, Dinge anzupassen und zu verändern. Abwarten wird schnell als politischer Offenbarungseid verstanden.

Bei diesem Thema aber wäre es tunlich einzuhalten. Schon jetzt kann jeder zu jedem Zeitpunkt seinem Leben ein Ende setzen. Der vom Schritt überzeugte Selbstmörder braucht also kein neues Gesetz. Es geht nur um die Fälle, bei denen der den Suizid vollziehen wollende Mensch, Hilfe von außen möchte oder sogar braucht, weil er selbst zur Durchführung nicht mehr in der Lage ist. Und hier kommen die Ärzte und allein diese ins Spiel, da kein vernünftig Denkender vorhat, diese Hilfe jedermann zu gestatten.

Und genau da sollte die Debatte in meinen Augen auch sofort wieder enden. Es ist eine Zumutung für jeden und gerade für einen zum Heilen verpflichteten Mediziner, ihn in ein solches Vorhaben einzubeziehen und ihn als Vollstrecker zur Seite zu rufen. Das kann und sollte kein Mensch von einem anderen verlangen und verlangen dürfen. Und dabei ist es nicht nur unerheblich, daß es genügend Ärzte gibt, die ohne Skrupel bereit wären, diese Dienstleistung morgen in ihr Behandlungsprogramm aufzunehmen, sondern exakt diese Berufsträger sind es erst recht, die einen vor einer Legalisierung zurückschrecken lassen müßten. Keiner sollte potentiellen Henkern ein obendrein einträgliches Betätigungsfeld bieten. Das Leben darf nicht zum Spielball wirtschaftlicher Interessen werden. Und die anderen Ärzte gilt es, davor zu bewahren, daß man sie praktisch zwingt, etwas zu tun, was sie aus freien Stücken nicht oder nur mit äußersten Bedenken täten.  Am Ende war und ist es der natürliche Reflex des Menschen, angesichts eines drohenden Selbstmordes den potentiellen Täter von seinem Vorhaben abbringen zu wollen. Dabei sollten wir es belassen.

Wer sich umbringen will, mag das tun. Er weiß am sichersten, ob es richtig ist, wenngleich es dafür keine Garantie gibt(s. 0.). Aber er soll es allein vor sich selbst verantworten und vollziehen. Und die, die es nicht mehr können, haben halt Pech gehabt. Es gibt eben so etwas wie Schicksal, und wer zu spät kommt, den bestraft das Leben manchmal – Überraschung! – mit Leben.

Viel Vergnügen mit dem Geschenk und gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

 

 

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