wolfsgeheul.eu vom 01.07.1960

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Vor 55 Jahren wurde ich  im schönen Düsseldorf geboren, hinein in die Hochzeit des Wirtschaftswunders und vor allem des Friedens in Europa, der – inzwischen haben wir beglückenderweise selbst Kinder – bis heute hier für uns alle währt. Das ist aber, horribile dictu, nur ein kleiner Teil der Wahrheit. Deswegen können Firmen wie Rheinmetall und Heckler&Koch, wenn überhaupt, nur Krokodilstränen weinen, zahlen sie doch auf dem Rücken der mit ihren Waffen Getöteten der Welt ordentlich Steuern, sichern Arbeitsplätze und können ob ihrer Gewinne frohlocken.

Der größte Irrtum unserer bigotten Gesellschaften ist es also, auch nur im Ansatz von „Friedenszeiten“ zu sprechen. Nach dem Korea- und dem Vietnamkrieg, zusammen mit mutmaßlich mehr als sechs Millionen Toten wähnte man sich in Sicherheit, und die Kubakrise hat man kindlich verschlafen oder gar noch auf sie geschissen. Falkland, Golf, Irak, Afghanistan alles weit weg, selbst Bosnien, obwohl gefährlich nah, ist an uns weitestgehend schadlos vorbeigegangen, wenngleich in letzter Zeit als Novum auch wieder deutsche Soldaten leider auch wieder in Kriegen und nicht nur besoffen vom Panzer fallen. Nicht wissenschaftlich aber gleichwohl sicher so falsch nicht listet Wikipedia – einem Almanach der Lebensjahre gleichend, der es einem nach proustscher Manier durchaus ermöglicht, die eigene Vita nachzuvollziehen – ab 1960 über einhundert (Bürger-)Kriege und bewaffnete Konflikte auf; die Opferzahlen liegen wohl sicher im zweistelligen Millionen-Bereich. Dabei muß man Nachbarschaftsstreitigkeiten bzw. Religionskonflikte von solchen kriegerischen Auseinandersetztungen scheiden, bei denen die waffenliefernden Nationen aktiv oder, wie gerne und zumeist, passiv eigentlich eigene Interessen, meist Rohstoffe betreffend, verfolgen. So oder so sind wir aber überwiegend involviert.

Wenn Europa die restliche Welt nur mit Lebens- und Fortbewegungsmitteln sowie sonstig zivilen Gütern beliefern würde, könnten wir uns zurücklehnen und die lange Friedensphase bei uns feiern. Stattdessen liefern wir unendlich viele Waffen und wissentlich Dinge, die zu solchen werden können und sollen, über den Erdenball, was nicht unwesentlich unseren Wohlstand und „Frieden“ sichert und ohne Ende todbringend ist. Sorry, Freunde, das ist nicht friedlich, das ist tatsächlich schändlich. Während wir es uns gut gehen lassen, testet man in der Welt unsere Waffen und bezahlt sogar dafür. Und dann kaufen wir dem IS auch noch Öl ab; eigentlich aber nur konsequente und „legitime“ Kick-Back-Zahlungen für gute Kunden und Waffentester auf fernem Terrain. Können sich CEO’s von Rüstungsfirmen, aber auch von LKW- und Chemieproduzenten, die sich vor geheuchelter Verwunderung kaum einkriegen können, daß ihre Produkte auch als Lafetten zu dienen oder chemische Waffen zu füllen vermögen, eigentlich morgens noch im Spiegel anschauen? Es steht zu befürchten, daß sie dazu in der Lage sind. Außerdem sind es ja sicherlich gute Familienväter und wohltätige Menschen, die, wenn sie lange genug warten und die richtigen Leute kennen, auch noch Verdienstkreuze einheimsen und stolz herumtragen dürfen. Am besten sind sie dann zusätzlich fleißige Kirchgänger, klar, denn der Vergebungsbedarf ist bei ihnen besonders hoch.

Realität ist also, daß die Welt auch seit 1960 sich quasi im Dauerkrieg befindet und die Industrienationen davon und auf dem Rücken der armen Betroffenen in fernen Landen teilweise vortrefflich leben. Nun gut, das war immer so und wird wahrscheinlich immer so bleiben. Der Mensch ist so und will es nicht anders. Aber hören wir auf, uns selbst zu beweihräuchern, und denken wir ab und an daran, wenn wir uns, obwohl selbst keine Waffenmagnaten, morgens rasieren. Wir sind ein Teil des ganzen und partizipieren davon. Unschuldig ist niemand.

Mein schönes und friedliches Leben bezahlen andere auf der Welt mit dem ihren. Daran etwas zu ändern, sollte uns, jeder an seinem Platze, Lebensaufgabe sein, wenngleich ich eingestehen will und muß, auch keine Patentlösung anbieten zu können. Wie wäre es aber zum Beispiel mit Regelungen, daß Waffen nur in Länder mit Verteidigungsarmeen und so starken Kontrollen exportiert werden dürfen, daß das Gelangen in schwarze Kanäle weitestgehend ausgeschlossen werden kann, bei gleichzeitiger scharfer Beobachtung, Isolierung und gegebenenfalls Sanktionierung derjenigen Staaten, die sich daran nicht halten, und der Staaten, die ihre eigenen Waffen produzieren, um Schändliches anzurichten? Den Einwand, das machten wir bereits so, lasse ich nicht gelten, da es für jedermann offensichtlich bisher nicht funktioniert. Also, auf, Sisyphos!

Wie gut, daß ich mir diese trübsinnigen Gedanken schon gestern vorab gemacht und mir damit nicht meinen Geburtstag versaut habe. Zum Wohle!

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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wolfsgeheul.eu vom 30.06.2015

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Man glaubt es nicht, aber die erste Hälfte des Jahres ist morgen vorbei. Je älter man wird, umso schwerer fällt es einem, die Zeit am Rasen zu hindern oder gar festzuhalten.

Und so nimmt es nicht wunder, daß heute auch weltweit der „Internationale Inkontinenztag“ – laut Internet umfassend Harn-, Stuhl- und Milchinkontinenz sowie Flatulenz – begangen wird. Welch‘ herrliche Alliteration für eine traurige Schwäche. Und man sieht geradezu die Betroffenen sich auf den Plätzen versammeln und feiern, nachdem sie vorher bei einem ökumenischen Festgottesdienst gemeinsam erst andächtig  der Kantate, BWV 198, „Laß, Fürstin, laß noch einen Strahl“ gelauscht und dann stark euphorisiert alles unter sich gelassen haben.

Wir haben sie offensichtlich nicht mehr alle! Darauf lass‘ ich doch erst einmal kräftig einen fahren, denn per definitionem sind wir ja wohl alle angesprochen und betroffen.

Die tatsächlichen Patienten mögen mir verzeihen, aber ich bin mir sicher, daß sie diesen Welttag nicht benötigen, geschweige denn feierlich begehen. Es gibt einfach Krankheiten, die aus Rücksicht auf die Betroffenen und ihre Umwelt eher keine Öffentlichkeit brauchen. Diskretion ist hier Schutz für alle Seiten. Und zwischen Totschweigen und Rausposaunen liegt doch genug Raum für einen wechselseitig belästigungsfreien Umgang der Menschen miteinander. Keiner muß sich beim Windelkauf verstecken; Binden, Tampons und Kondome werden doch auch nicht mehr unter dem Ladentisch verkauft.

Also laßt mich in Ruhe mit euren Malaisen, ich erzähle es euch doch auch nicht, wenn ich einen Furz quersitzen habe.

Wann wird eigentlich der „Internationale Kontinenztag“ begangen? Der könnte auch mich interessieren, wenn er mir denn Rezepte anböte, wie ich meine Lebenszeit besser festhalten kann. Schade, die wirklich wichtigen Dinge finden keine Resonanz rund um den Globus!

In diesem Sinne wünsche ich allen

gute Nacht

und den Älteren

frohe Weihnachten!

Ihr/Euer Wolf

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