wolfsgeheul.eu vom 09.06.2015

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Paul Sahner ist tot. In diesem Zusammenhang fällt mir eine kleine Geschichte ein.

Eine gebildete und sehr kulturaffine Freundin erzählte mir neulich in charmanter und entwaffnender Offenheit, daß sie die Illustrierte „Bunte“ immer am Zeitungsstand lese, weil sie zwar gerne über die Neuigkeiten bei den Royals, Schönen und Reichen informiert, ihr der Kauf dieses Blattes das Geld jedoch nicht wert und quasi zuwider sei.

Mein Verhältnis zu der netten und interessanten Dame ändert das nicht – es kommt eben immer darauf an, wer es macht -, aber gleichwohl ist das eine Verhaltensweise, die ich grundsätzlich verabscheue und als Dreistigkeit empfinde. Schlimm ist es deshalb, weil es augenscheinlich soviele Mitmenschen genauso praktizieren in Bahnhofsbuchhandlungen, Supermärkten, Buchkaufhäusern etc.. Klarstellend muß ich sagen, daß ich nicht das vorsichtige Hineinblättern ins Inhaltsverzeichnis meine, sondern das intensive Hineinschauen und -lesen. Für mich grenzt das an Diebstahl und ist eine Unverschämtheit gegenüber dem späteren arglosen Käufer. Zeitungen jeglicher Art – dasselbe gilt auch für Bücher -, die ich als neu erwerbe, sollten und müssen jungfräulich sein. Sie brauchen strenggenommen vor der Kaufentscheidung noch nicht einmal in die Hand genommen zu werden, da die erste Seite das appetitanregende Schaufenster darstellt, welches auf wesentliche Inhalte bereits hinweist. Der Rest ist bewußt und gewollt eine Wundertüte. Das Risiko, welches sich bekanntermaßen häufig verwirklicht, daß sich das Produkt nach Erwerb als Enttäuschung herausstellt, ist immanent und liegt beim Kunden. Die Rückgabe ist ausgeschlossen und der Erwerber kann seine Enttäuschung erst mit der Kaufverweigerung der nächsten Ausgabe ausdrücken.

Jetzt könnte man über die Menschen herziehen, die sich nicht mehr benehmen können und rücksichtslos verhalten. Das wäre aber wohl alleine und vielleicht sogar im Grundsatz falsch. Denn wir sind alle schwach und Gelegenheit macht Diebe. Die Schuldigen sind also die, die aus Personalkosteneinsparungsgründen und Ignoranz die reine, unverpackte Ware mehr oder weniger unüberwacht und jedenfalls geduldet genau so freizugänglich feilbieten, daß das Lesen und Zurücklegen überhaupt möglich ist. In einer kleinen Buchhandlung, beim Krämer oder im Kiosk erlaubt sich keiner diese Frechheit, wenn überhaupt fragt er im Zweifel sogar um Erlaubnis, um kurz durchzublättern, und wird danach schon eine leichte Kaufverpflichtung verspüren und sich mit dem Zurücklegen schwertun, weil es ihm etwas peinlich ist, nach offenbarer Enttäuschung über den Inhalt der Wundertüte, eine fundierte Entscheidung gegen den Händler zu treffen, obwohl das vorherige Lüften des Geheimnisses bei diesen schnellen und flüchtigen Druckerzeugnissen eigentlich gar nicht vorgesehen ist.

Meine Entscheidung ist klar und konsequent. Wenn ich – was nur noch selten vorkommt – überhaupt eine Illustrierte erwerbe, dann überwiegend im kleinen Geschäft meines Vertrauens. Und wenn es nicht anders geht, nehme ich in Verkaufsstellen, die eher öffentliche Lesehäuser geworden sind, ein vermeintlich unberührtes Exemplar aus der Mitte des Regalstapels, unterstellend zum einen, daß die gelesenen Zeitungen, weil es einfacher ist, hinten wieder einsortiert werden, und zum zweiten, daß der Stapel auf diese Art noch nicht einmal durchrotiert wurde. The consumer fights back!

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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wolfsgeheul.eu vom 08.06.2015

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Warum interessiert mich eigentlich der G7-Gipfel recht wenig? Die Beschlüsse klingen in meinen Ohren eher beliebig, nach reiner Symbolik und haben zum Teil Zeitschienen einer Länge – Beispiel „Entkarbonisierung“ in rund 85 Jahren -, die mir angesichts der angeblich akuten Klimaschädlichkeit doch gelinde gesagt leicht großzügig erscheint. Wahrscheinlich überwiegen das Gruppenerlebnis der Protagonisten und deren kindliche Freude, den bösen Putin dieses Mal nicht mitspielen zu lassen, die Ergebnisse. Selbst die Demonstranten scheinen müde. Ob die Kosten, die ich im übrigen nicht grundsätzlich kritisiere, gut angelegtes Geld sind, mag also bezweifelt werden.

Ebenso traurig, aber spektakulärer sieht da schon das OB-Wahl-Ergebnis in Dresden aus. Daß der farblose Ulbig von der CDU verloren hat, verwundert wenig, daß aber die an Dümmlichkeit kaum zu überbietende Pegida-Kandidatin 9,6% erreicht und zusätzlich der mir unbekannte AfD-Kandidat 4,8% beweist bedauerlicherweise, daß der Dresdner seine offenbar auf die Denkfähigkeit schlagende Hinterweltlerkrankheit noch nicht überwunden hat. Vielleicht sollten sich die Machthaber noch einmal bei einer guten Flasche Seußlitzer Traminer zusammensetzen und beraten, was da schief läuft und wie man gegensteuern kann. Auswechseln läßt sich das Wahlvolk ja (leider) nicht.

Als Zyniker darf ich mir ein anderes Thema aber nicht entgehen lassen. Letzte Woche ist kurz nach Köln auch in Aachen ein Möbellager der Firma Poco in Flammen aufgegangen. Eine heimtückische und brandgefährliche Tat, die zu Recht sehr hart bestraft gehört. Nun könnte man sich aber auch auf den Standpunkt stellen, daß das für Unternehmen, die maßgeblich billigen Schund anbieten und ihr Geschäft obendrein mutmaßlich nicht unwesentlich mit finanzschwachen Mitmenschen abwickeln, die alles mehr bräuchten als der Nachhaltigkeit nicht förderliche, weil schwerlich besonders haltbare, kurzen Modezyklen, was weitere Begehrlichkeiten bei den Stillosen weckt, folgende Möbel, fast so etwas wie eine gerechte Strafe darstellt. Und so sollte vielleicht den oder die Täter neben Gefängnis die Verleihung eines Ästhetik-Ordens erwarten, was eventuell sogar die Aussagebereitschaft des angeblich bisher schweigenden Verdächtigen zu erhöhen vermöchte. Gleichwohl wird aller Zerstörung zum Trotze, der Tsunami der Geschmacklosigkeiten, mit dem sich Milliarden umsetzen und Millionen verdienen lassen, damit leider in keinster Weise aufgehalten. Wir sind ein freies Land. Wann entdeckt das auch der Bürger? Und wo sind die Bestrebungen, Menschen mit einem soliden Wertekanon ausstatten, der sie immun macht gegen solche Produkte und bei Kaufentscheidungen an ihre und die Zukunft ihrer Nachkommen denken läßt? Machen wir das Licht aus.

Gute Nacht, Poco! Schlafe gerne unruhig und bitte lang.

Ihr/Euer Wolf

 

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