wolfsgeheul.eu vom 24.11.2015

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Manchmal spinnen sie, die Aachener oder besser deren Stadträte! Nur selten schafft es diese wunderbare Provinzgroßstadt in die überregionale Presse. Und wenn doch, dann zuletzt mit der Karnevalsposse(s. Kolumne vom 18.11.2015) um den eigentlich wenig beachtenswerten Verkleidungsfetischisten Söder leider sogar negativ! Letztere zeitigt übrigens weniger schlimme Folgen als befürchtet; lediglich Herr Özdemir und Herr Hofreiter haben bisher abgesagt. Da die Körnerfresserfraktion bislang weniger für ihren Humor bekannt war, dürfte das Fehlen dieser beiden kaum auffallen.

Heute aber erlangt Aachen aus anderem Grunde die Erwähnungsweihen der FAZ mit einer Randglosse im Feuilleton. Es geht um die Sanierung des zur Zeit leergezogenen Neuen Kurhauses, welches seit 1976 das Casino beherbergte. Ein neoklassizistischer Bau, der zwar unter Denkmalschutz steht aber nun nicht höchste architektonische Beachtung verdient, jedoch mit dem Quellenhof und dem Eurogress ein durchaus imposantes Ensemble in guter, stadtnaher Lage bildet.

Das Aachener Casino hat im letzten Jahr zu Unrecht für Negativschlagzeilen gesorgt, weil in ihm früher einmal die zwei Warhols hingen, die von der Eigentümerin Westspiel, also letztlich vom notorisch klammen Land NRW, für über 150 Millionen Dollar unerhörterweise versteigert wurden. Angesichts der Besitzverhältnisse hatte Aachen aber bei dieser Sauerei gar kein Mitspracherecht. Der Erlös soll angeblich in die Revitalisierung der maroden Spielbanken des Landes fließen. Selbst wenn es stimmen sollte, ein äußerst fragwürdiger Verwendungszweck!

Jedenfalls soll das vorübergehend ins ebenfalls höchst defizitäre Tivoli-Stadion ausgelagerte Casino nach Umgestaltung des Gebäudes reloziert werden. Jetzt kommt aber der Haken. Die Hütte gehört der Stadt. Die Kosten der Renovierung und Umgestaltung bleiben also bei ihr hängen. Die zukünftige Wiederpächterin, die geniale Westspiel, der die Warholmillionen mutmaßlich schon längst unter dem Hintern weggezogen worden sind, aber scheint gleichwohl den Prozeß zu diktieren, jedenfalls bringt sie die Konzepte und die Partner maßgeblich mit ein. Da lauert doch das nächste Aachener Kassenloch, denn das Stadtsäckel soll mit mindestens 20 Millionen Euro belastet werden.

Es wird aber noch schlimmer. Die Planungen sehen neben Casino- und Restaurationsräumen vor, im rechten Flügel des Gebäudes mit Hilfe von Projektionen oder ähnlichem quasi die Sixtinische Kapelle für ein Jahr erstehen zu lassen. In der Folge sollen dann jährlich neue, andere „Attraktionen“ die Besucher anziehen, was die Stadt Aachen pro Jahr noch einmal zusätzliche 500.000 Euro kosten soll. Gerne werde ich mich eines Besseren belehren lassen. Aber wer will denn wirklich die schlechte, virtuelle Kopie der Sixtischen Kapelle im Neuen Kurhaus zu Aachen bestaunen!? Und was ist, so schön und sehenswert Aachen auch sein mag, der Vatikan ohne Rom!? Wenn das Erfolg haben sollte, freute ich mich zwar für meine Stadt, verlöre aber endgültig meinen Glauben in die Menschheit. Wir leben doch nicht in China oder Amerika, wo das Bedürfnis, ohne eine teure Fernreise am europäischen Kulturgut zu schnuppern, vielleicht sogar verständlich wäre.

Oder haben wir den Status der Fake-Gesellschaft doch schon in diesem Maße erreicht? Der museale Nachbau der Malereien der Chauvet-Höhle(s. Kolumne vom 07.05.2015) zeigte bereits in diese schwachsinnige Richtung. Vielleicht geht es den Menschen gar nicht mehr um Originale, weil die meisten selbst zu Abziehbildern degeneriert sind!?

Wo soll das noch hinführen!? Die Zukunft wird jedenfalls spannend. Und die größte Frage wird sein, was nach Michelangolo kommen soll. Es würde mich nicht wundern, könnte man danach zum Beispiel den Terroranschlag auf das Bataclan – die Kubatur müßte es doch hergeben – gegen 30 Euro Eintritt nacherleben. Virtuell und natürlich ohne Schaden zu nehmen! Frei für Kinder ab sechs Jahren, wenn die nicht durch die Internet-Ballerspiele zu weit abgestumpft und deshalb an so einem müden Spektakel gar nicht mehr interessiert sind!

Laßt die Kugeln rollen!

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

 

 

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wolfsgeheul.eu vom 13.11.2015

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Mein Lions Club engagiert sich nicht nur seit längerem für die Tafel in Maastricht, sondern neuerdings zusätzlich für einen Treffpunkt in dem dortigen Problemviertel Wittevrouwenveld , der mit großem persönlichen Einsatz auch Essen feilbietet. In dieser Einrichtung geht es nicht nur darum, Menschen, die in prekären Verhältnissen leben, zu verköstigen, sondern ihnen zugleich ein kleines Zuhause zu bieten, in dem sie willkommen sind und unter Leute kommen, um ihrer sprachlosen Einsamkeit, ihrem Elend zeitweise zu entfliehen. Daß es sich hierbei um eine lohnende Aufgabe handelt, dürfte außer Frage stehen. Auch kann man akzeptieren, daß selbst der bestorganisierte und leistungsfähigste Wohlfahrtsstaat nicht alles erbringen kann, so daß sich ehrenamtliches Engagement hier nicht um die Dinge kümmert, geschweige denn einmischt, die originär vom Staat zu erbringen wären. Also alles gut so? Nein!

Heute war ich erstmalig im Aachener Justizzentrum in der Kantine essen. Für zwei schmackhafte Seelachsfilets in ordentlicher Soße mit Pommes Frites und Salatbeilage sowie einen halben Liter stilles Markenwasser zahlte der Mandant, der mich freundlicherweise einlud, neun Euro und zehn Cent, in Zahlen: 9,10 EURO. Wenn man von den wenigen Kunden der Justiz und den paar Rechtsanwälten einmal absieht, wird man wohl davon ausgehen dürfen, daß überwiegend die Mitarbeiter des Hauses in den Genuß dieser Verköstigung gelangen. Zum großen Teil also Staatsbedienstete, die einen krisensicheren Arbeitsplatz haben und im Vergleich zur freien Wildbahn bei weitem nicht mehr signifikant schlechter verdienen, so wie das in früheren Zeiten, in denen die Verbeamtung noch der gesunden und richtigen Logik folgte, daß dafür im Gegenzuge die Einkunftsmöglichkeiten erkennbar geringer ausfielen, üblich war. Das war ein fairer Kontrakt, und jedem, der die entsprechende Qualifikation mitbrachte, stand es frei, sich entweder für Sicherheit oder für Risiko mit Mehrverdienstchance zu entscheiden. Jedenfalls reden wir über Menschen, die, wenn sie ihr Budget im Griff haben, grob gesagt definitiv nicht am Hungertuch nagen.

Jetzt muß doch die Frage erlaubt sein, warum diesen Berufstätigen in einem solch eklatanten Maße das Mittagessen augenscheinlich subventioniert wird, daß sie einen Hauptgang zu derart geringem Preis erwerben können. Wir reden hier ja gerade nicht über ein Privatunternehmen, dem es vollkommen unbenommen ist, wie es die Versorgung seiner Mitarbeiter organisiert und preislich gestaltet, sondern über eine steuerfinanzierte Behörde, die von allen Bürgern gespeist wird. Wenn man einmal den Versuch unternähme, solche Subventionen zu streichen, führte dies zu beträchtlichen Einsparungen, die mit Sicherheit nicht zur Folge hätten, daß die Richter, Staatsanwälte, Rechtspfleger und Justizbeschäftigen sich ein realistisch teures, aber immer noch preiswertes Kantinenessen nicht mehr leisten könnten und stattdessen die Tafeln stürmten, um nicht zu verhungern.

Solange die Situation aber so ist, wie sie ist, kann man doch jedem armen Mitbürger nur raten, seine Mahlzeiten zukünftig in unseren Behörden einzunehmen. Mit großer Freude fiebere ich den Folgen einer solchen Invasion entgegen. Ich sehe die Beamten schon hilflos nach einem freien Platz Ausschau halten in einer vollbesetzten Kantine mit lautem Sprachwirrwarr, herumlaufenden Kindern, von Tüten und Kinderwägen verstopften Gängen und dem ein oder anderen Menschen, der hinsichtlich Tischsitten und Körperhygiene geringere Ansprüche an sich selbst stellt! Da kann man eine Wette eingehen, daß es nicht lange dauern wird, bis über Preiserhöhungen ganz dezent wieder der alte, keine Hektik ausstrahlende Zustand hergestellt ist.

Bis dahin allerdings können sich die Ehrenamtlichen anderen Aufgaben widmen und müssen erst dann die Tafeln und Armenspeisungen wieder in Betrieb nehmen, wenn ihre angestammten „Kunden“ gezwungen sind, reumütig zurückzukehren.

Bürgerengagement braucht den Eindruck, daß wir uns mit öffentlichen Geldern nicht weiter Erbhöfe halten. Das hat sehr viel mit sozialer Gerechtigkeit zu tun.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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