wolfsgeheul.eu vom 18.01.2018

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Das wäre ja noch schöner, wenn diesem Nazi-Schwein jetzt Gnade widerführe!

Die mit Verlaub Farce geht weiter. Zunächst wurde Oskar Gröning – siehe auch meine Kolumne vom 29.11.2016 m. w. N. – nach meiner festen Überzeugung aus rein politischen Gründen zu vier Jahren Haft verdonnert. Das Urteil ist rechtlich höchst fragwürdig und grenzt in meinen Augen an Rechtsbeugung, weil es, dem Trend seit dem Verfahren gegen Demjanjuk folgend die Mittäterschaft in unzulässiger Weise ausweitet, so daß letztlich jeder, der einem Volk in Zeiten eines Unrechtsregimes angehört, für dessen Greueltaten verantwortlich gemacht werden könnte. Aber selbst der Bundesgerichtshof hat sich den Richtern des Landgerichtes Lüneburg angeschlossen, so daß ich mit meiner Sichtweise offensichtlich (recht) allein auf weiter Flur stehe.

Jetzt geht es aber um die Frage, ob ein 96-Jähriger die Haft antreten muß. Gröning hat sich – daran muß erinnert werden -geständig und reuig gezeigt und ist insgesamt mit seiner Vergangenheit so umgegangen, daß selbst eine Betroffene wie Eva Kor sich zu einer Versöhnungsgeste veranlaßt sah. Da saß also nicht ein unverbesserlicher Alt-Nazi auf der Anklagebank, sondern ein Mensch, der unter seiner verkorksten Jugend, die er sich wahrlich nicht selbst ausgesucht hat, mutmaßlich lebenslang leiden mußte. Er gehört damit zu den vielen Traumatisierten des Nazi-Regimes und des furchtbaren Krieges mit seinen unvergleichlichen Vernichtungsexzessen. Jedem heutigen Afghanistan-Veteranen übrigens wird in vergleichbarer Situation richtigerweise umfangreiche psychologische Hilfe zuteil, die nach 1945 für niemanden zur Verfügung stand, ja noch nicht einmal in Erwägung gezogen wurde.

Muß ein Greis wie Oskar Gröning, der wider Erwarten trotzdem haftfähig zu sein scheint, also wirklich einrücken!? Ich meine nicht. Vielmehr könnte er – wie bereits früher ausgeführt – noch Gutes bewirken, wenn er seine offenbare Rüstigkeit nutzte, um als einer der wenigen lebenden Zeitzeugen zum Beispiel an Schulen den Kindern zu den verheerenden Auswirkungen von Diktaturen Rede und Antwort zu stehen. Der Oberstaatsanwalt jedenfalls hat nun sein Gnadengesuch abgelehnt. Das letzte Wort könnte aber noch der Landesjustizminister haben. Es steht jedoch zu befürchten, daß auch dortigerseits nicht der Mut aufgebracht werden wird, eine gnädige Haltung einzunehmen.

Das Ausland respektiert, ja bewundert Deutschland durchaus und zu Recht dafür, wie es alles in allem mit seiner Vergangenheit umgeht. Wie man jetzt auf den letzten Drücker aus gedungenen Mitläufern, die damals obendrein blutjung waren, Mittäter zu machen versucht, dürfte eher nicht dazugehören. Es regiert eben einmal mehr der deutsche Übereifer, der gerade nicht zu den geschätzten Eigenschaften des Deutschen gezählt wird.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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wolfsgeheul.eu vom 21.04.2015

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Nach der kleinen Verschnaufpause gestern verspüre ich heute den Drang, mich auf ultimativ schwieriges und vermintes Gelände zu begeben. Es wird leider wieder etwas länger. Anlaß ist der Prozeß gegen den sogenannten „Buchhalter von Auschwitz“, den 93-jährigen Oskar G., vor dem Landgericht Lüneburg, dem laut Anklage Beihilfe zum Mord in mindestens 300.000 Fällen vorgeworfen wird.

Zunächst gilt es, bei aller Brisanz des Falles mein Unverständnis darüber zu äußern, daß die Presse den Angeklagten bei vollem Namen nennt, obwohl grob gesagt der Bundesgerichtshof in diesem Thema den Schutz des Persönlichkeitsrechtes einzig bei weithin bekannten Personen des öffentlichen Lebens hinter das Informationsinteresse der Öffentlichkeit zurücktreten läßt. Wer aber hat bisher den Angeklagten gekannt!? Was rechtfertigt also hier eine abweichende Handhabung?

Sodann möchte ich mich der Frage widmen, ob das Tun des Angeklagten vor über 70 Jahren im Vernichtungslager Auschwitz tatsächlich strafrechtlich relevant sein kann und sein sollte.

Voranstellen möchte ich, daß der Holocaust von allen drei großen Völkermorden des 20. Jahrhunderts, wie sie der Papst neulich richtigerweise benannt hat, der perfideste war; diese fabrikmäßige Tötungsmaschinerie ist unzweifelhaft beispiellos und stellt – hoffentlich für alle Zeiten – den traurigen Höhepunkt in der Geschichte menschlicher Greueltaten dar; damit müssen wir Deutschen leben. Machthaber und deren Führungsriege, die so etwas anordnen und durchführen lassen, sind vollverantwortlich und gehören der höchstmöglichen Bestrafung zugeführt. Dafür gab es in der Hauptsache richtigerweise die Nürnberger Prozesse, die man zumindest vom Grundsatz her nicht kritisieren kann, weshalb hier auf das Eingehen zu Einzelheiten verzichtet werden soll. Die eigentlich interessante Frage stellt die nach der strafrechtsrelevanten Schuld der Ausführenden dar, also denen, die der aktuell Angeklagte Oskar G. bezogen auf sich bereits Mitte der achtziger Jahre als „Rädchen im Getriebe“ – ob der Diminutiv hier verharmlosend klingt und sein soll, lasse ich dahingestellt – bezeichnet hat.

Offenbar unstreitig hat Oskar G. sich selbst weder an den sogenannten „Selektionen“, noch an Tötungshandlungen direkt und aktiv beteiligt; er soll sogar Vorgesetzte eingeschaltet und um seine Versetzung an die Front(!) gebeten haben, nachdem er Augenzeuge von grausamen Morden außerhalb des Auschwitzgeländes geworden war. Das erklärt, warum ihm bisher trotz Ermittlungen auch nicht der Prozeß gemacht wurde, weil die Rechtsprechung nach dem Krieg grob gesagt eine eigene Tätigkeit des Beschuldigten forderte, die ohne jeden Zweifel mit Ermordungen praktisch unmittelbar in Verbindung stand. Hiervon ist erst im Jahre 2011 vom Landgericht München im Demjanjuk-Verfahren abgewichen worden, das eine Verurteilung vornahm, ohne daß dem Angeklagten eine konkrete Tat zugeschrieben werden konnte; wichtig zu erwähnen ist hier aber die Tatsache, daß dieses Urteil niemals Rechtskraft erlangt hat, da beide Seiten, also Anklage und Verteidigung Revision gegen das Urteil eingelegt haben und Demjanjuk darüber verstarb. Auch hier soll, weil es zu weit führen würde, auf die näheren Einzelheiten des Prozesses – nur eines, der Angeklagte hatte nach dortiger Verurteilung schon eine siebenjährige Haftstrafe in Israel verbüßt – nicht eingegangen werden. Gerade das Münchener Urteil aber nimmt die Staatsanwaltschaft im Lüneburger Prozeß her, um eine Strafbarkeit im Sinne der Anklage zu behaupten. Das verwundert im übrigen umso mehr, als meines Wissens dieser strenge und weitauslegende Maßstab – meiner Ansicht nach richtigerweise – ebenfalls nicht auf die Beteiligten an den Mauertoten in der bundesrepublikanischen Rechtsprechung nach der Wende angewandt worden ist, also nur Schützen und Befehlsgeber verurteilt wurden. Es wird demnach spannend sein, den weiteren Prozeßverlauf zu beobachten.

Meiner Ansicht nach ist das Landgericht München damals zu weit gegangen. Erstens ist nach Nazideutschland glücklicherweise gerade nicht gemäß dem Motto verfahren worden, daß man die Kleinen gehängt und die Großen laufen gelassen hat. Zweitens stellt sich doch die Frage, wie weit man strafrechtlich – hier geht es ausdrücklich nicht um die moralische Seite, die man sicher anders und kontrovers diskutieren kann – für eine Verurteilung ausreichend Schuld auf die Beteiligten herunterbrechen kann. Mit der Argumentation der Münchener Richter könnte man wohl jedenfalls jede Putzfrau, die in einer Konzentrationslagerverwaltung ihren Dienst getan hat, letztlich aber vielleicht sogar jede Mutter, die ihre Kinder ernährt und großgezogen hat, so daß sie später unter anderem für Arbeiten in Vernichtungslagern zur Verfügung standen, verurteilen. Alles nur eine Frage der Kausalität! Damit hätte man den Hebel, um fast ein ganzes Volk, das unter einer Diktatur lebte und handelte, ja handeln mußte, ins Gefängnis zu stecken. Da kann etwas nicht stimmen.

Um das Verfahren gegen Oskar G. überraschend und fragwürdig zu finden, braucht man sich also gar nicht mit der Frage zu befassen, ob man einem Soldaten, der mit großer Sicherheit jede Verweigerung welcher Handlung und Tat auch immer mit dem eigenen Tod bezahlt hätte, überhaupt sein Tun vorwerfen kann. Wohlgemerkt meine ich in dieser Frage mit „Soldat“ nicht den, der „hier“ schreit und die „Gunst der Stunde“ nutzend mit der Ausführung staatlich „erlaubter“ Taten quasi legal seine eigenen niederen Motive und Lüste befriedigt, sondern den Menschen wie du und ich – ausdrücklich denke ich dabei auch an meinen 93-jährigen Vater, der ebenfalls den Krieg hautnah miterleben mußte, aber letztlich das, falls man überhaupt in diesem Zusammenhang davon sprechen kann, Glück hatte, nicht an der Ostfront, in der Normandie oder gar in einem Konzentrationslager dienen zu müssen -, der das Pech hat, in eine solche Zeit hineingeboren und in ihre Ereignisse hineingezogen zu werden und ohne Ansehen seiner damaligen Überzeugungen zum freudlosen Mittun verdammt wird, also mutmaßlich die Mehrheit. Das sollte man seinem schlimmsten Feind nicht wünschen, und meines Erachtens kann keiner, der nicht etwas Vergleichbares je hat erleben müssen, sich in eine solche Situation hineinversetzen. Wer einmal den durchaus empfehlenswerten Selbstversuch mit der furchtbaren Lektüre von Jonathan Littells Roman „Die Wohlgesinnten“ durchgeführt hat, wird wahrscheinlich wie ich wissen, daß selbst danach viele Fragen unbeantwortet bleiben und die Erkenntnis, daß das Böse in uns allen steckt, keine neue war.

Vielleicht – dies gebe ich, ohne jemanden schützen oder der Entscheidung vorgreifen zu wollen, dem Lüneburger Spruchkörper lediglich zu bedenken – sollte man das letzte Urteil vielfach Gottes Gericht allein  überlassen und sich nicht als Erdenbürger aufschwingen diesem vorzugreifen. Schließlich gilt es, allein zu berücksichtigen, daß Oskar G., den ich nicht kenne und vom dem ich auch ansonsten nichts gesichert weiß, bei Kriegsende maximal erst 25 Jahre alt war. Vielleicht war er in seinem langen Leben ein guter Mensch. Ich jedenfalls möchte mit ihm, seinen grausamen Erlebnissen, seinen mutmaßlich vorhanden gewesenen Skrupeln und sicherlich lebenslang quälenden Erinnerungen – man könnte eventuell sogar die Ansicht vertreten, daß er damit schon genug gestraft ist – was die Kriegsjahre und die Zeit danach anlangen nicht tauschen.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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