wolfsgeheul.eu vom 15.01.2017

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Elphi, die 2te!

„Im Moment könnten wir den Großen Saal auch mit kammblasenden Putzfrauen ausverkaufen.“.

So zitiert – hoffentlich richtig – die Hamburger Morgenpost vorgestern den Intendanten der „Elphi“ bei der Eröffnung des Kleinen Saales.Eine launige Bemerkung zu dem Vorwurf bzw. der Vermutung, dort würden nur die spielen, die zu klein für die große Bühne seien. Christoph Lieben-Seutter heißt der sympathisch wirkende 52-jährige gelernte Software-Ingenieur mit ausgewiesener Expertise im Konzertwesen.

Ein herrlich politisch unkorrekter Satz, der mich grundsätzlich begeistert und dessen bitterer Wahrheitsgehalt nicht im geringsten anzuzweifeln ist.

Aber möchte man als Besucher der ersten Stunde der Elbphilarmonie, die im übrigen, glaubt man den Verrissen der Kritiker, auf etwa der Hälfte der Plätze eine nachbesserungsbedürftige Akustik aufweist, derart beleidigt werden? Oder begeben sich nur solche Windbeutel auf den langen Weg nach Hamburg, die das gar nicht merken und/oder berührt?

Die Anmerkung zeigt in bemerkenswerter Offen- und Klarheit, wie der Konzertbetrieb heute läuft. Neben den wenigen Connaisseuren reisen in unserer oberflächlichen Eventkultur nur solche Menschen durch die Republik, die einfach das Spektakel respektive das Spektakuläre suchen. Verständlich ist da durchaus, daß man sich aus wirtschaftlicher Sicht darauf einstellt und entsprechend plant.

Aber was bedeutet das aus Sicht des Kulturellen? Der Kulturbanause bevölkert offensichtlich heute den mehr oder minder hoch subventionierten Kulturbetrieb. Man geht hin, weil es zum guten Ton gehört, nicht weil es einen wirklich interessiert, weil man davon mehr als eine Ahnung hat. Wer auf die Frage „Warst Du schon in der Elphi?“ demnächst mit „Nein!“ antworten muß, wird wohl hoffnungslos out sein.

Wie geht das weiter?

„Die Leute kämen auch ins Bochumer Schauspielhaus, wenn wir auf der Bühne masturbierende Friseusen präsentieren würden.“.

„Wir könnten im Museum Ludwig auch gebrauchtes Toilettenpapier aus Frauenhäusern aufhängen, die Idioten kämen trotzdem in Scharen.“.

Ein Hoch auf die Beliebigkeit!

Da bleibe ich doch lieber zuhause und nähre mich redlich. Dann kann man mich auch nicht beleidigen, und ich muß mich nicht mit den von Ihnen gemeinten Typen gemein machen lassen, Herr Lieben-Seutter. Ich weiß, es wird Sie nicht anheben, denn von mir können Sie bei meiner Einstellung zu diesen Dingen ohnehin nicht leben. Wenn Sie allerdings tatsächlich kammblasende Putzfrauen auf Ihre Bretter lassen sollten, bitte ich hier schon höflich um eine Pressekarte. Dann komme ich sofort.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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wolfsgeheul.eu vom 13.01.2017

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„Fünf Minuten Peter!“, so stürmte ab und an der Schwager eines Onkels von mir vor fast sechzig Jahren in die Wohnung meiner Eltern in Düsseldorf. Es muß sich – ich habe keine Erinnerung mehr an den relativ früh Verstorbenen – um einen sympathischen, lustigen und äußerst agilen Mann gehandelt haben, einen später sehr erfolgreichen Architekten, dessen erstes Haus allerdings zunächst über kein Treppenhaus verfügte. Diese nebensächliche Kleinigkeit war ihm wohl in des aufregenden Lebens Hektik durchgegangen. Und so waren auch seine Besuche meist nur kurz. Mit dem eingangs zitierten Satz begehrte er ein schnelles Lauschen auf die Klänge Tschaikowskys von der schweren Deutsche Grammophon-Schallplatte aus der neuen, in der Zeit noch raren Musiktruhe der jungen Familie Meyer. Den Mann hätte ich auch gerne kennengelernt. Offenbar ein Original!

Heute nun blättere ich rein interessehalber im Programm der neuen Elbphilharmonie und finde:

„»Klassik Kompakt« – der Titel für das neue Konzertformat des NDR Elbphilharmonie Orchesters ist Programm: In der Kürze liegt die Würze. Für alle, die im hektischen Arbeitsalltag wenig Zeit für Konzertbesuche finden, gibt es jetzt das Stundenkonzert am Sonntagnachmittag. Runde 60 Minuten aufregende Orchestermusik im Großen Saal der Elbphilharmonie – und der Abend ist noch frei für andere schöne Dinge des Lebens! Die Reihe mit insgesamt drei Konzerten zu attraktiven Preisen unter der Leitung von renommierten Dirigenten ist auch das ideale Abo für Klassik-Einsteiger.“

Ein Programm ist der offiziellen Homepage nicht zu entnehmen. Das ist aber wohl auch egal, weil die Besucher ohnehin entweder keine Zeit oder keine Ahnung oder beides haben. Auf Musik muß man sich jedoch mit Muße einlassen auch und gerade als Anfänger. Sonst kann man es direkt ganz bleiben lassen. Klassik schlingt man nicht im Schnellimbiß in sich hinein, sondern genießt sie im Gourmetrestaurant. Dieses Angebot spricht also für sich und für unsere oberflächliche Zeit. Und der Expreß-Besucher an der Oberbilker Allee war auch nur deshalb in der Lage, sich an einem Häppchen zu erfreuen, weil er das ganze Stück natürlich kannte. Nur fundierte Kennerschaft, die man nicht spielerisch und nebenbei erlangen kann, ermöglicht auch den schnellen Genuß. Es ist nämlich eine Mär, zu glauben, man könne nur im Vorbeigehen Geschmack finden.

Es gibt aber noch ein groteskes Fundstück:

„Bunte Decken und Kissen sind ausgebreitet, kleine Entdecker krabbeln zu klassischer Musik – das sind die seit Jahren beliebten »Elfi-Babykonzerte«. Wunderschöne und abwechslungsreiche Streichermusik, gespielt vom Ensemble Resonanz, lädt die Allerkleinsten und ihre Eltern zum Wiegen, Schmusen und Mitwippen ein. Die beste Gelegenheit, zum ersten Mal klassischer Musik zu lauschen und mit großen Augen die Instrumente zu bestaunen. Ausreichend Kinderwagenstellplätze und Wickelkommoden sind vorhanden. Wie immer kommen die »Elfi-Babykonzerte« in die Stadtteile – und ziehen nun auch erstmals ins Kaistudio der Elbphilharmonie ein.“

Garniert übrigens mit herzzerreißenden Bildern von Säuglingen auf dem Schoße ihrer beseelt dreinschauenden Mütter und bevorzugt Väter! Na, da möchte man doch gerne mittun. Während von den Wickeltischen ein leicht süßlicher Kinderkackegeruch herüberweht und die Kleinsten auf den Krabbeldecken juchzen, muß es doch ein wahrer Genuß sein, klassischer Musik zu lauschen. Was kommt da auf uns zu an hochbegabten, musikalisch genialen und sicher auch noch multilingualen jungen Menschen! Gut, daß ich mich nicht mehr fortpflanzen muß, denn diese übereifrigen Miteltern mit ihren überzüchteten Blagen könnte ich keine Minute ertragen.

Und wie konnte eigentlich ohne diese Frühbeschallung aus mir überhaupt etwas werden!? Warum kann ich so viel klassische Musik von der ersten bis zur letzten Note mitsummen?

Vielleicht waren es die „fünf Minuten Peter“?

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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