wolfsgeheul.eu vom 11.03.2016

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Volkswagen muß demnächst seine Werkshallen auf 28 Grad Raumtemperatur hochheizen und jedwede Zugluft unterbinden, damit sich die empfindlichen, überbezahlten und unterarbeiteten Mitarbeiter nicht den Tod holen. Es sind oft die kleinen Nachrichten, die tief blicken lassen. Deutschland, deine Besitzstandswahrer!

Was ist passiert? Der angeschlagene Weltkonzern erwägt laut einer dpa-Meldung im Rahmen der notwendigen Sparmaßnahmen den Mitarbeitern das Werks-T-Shirt zu streichen. Da geht es schon los! VW stellt seinen Arbeitern allen Ernstes offensichtlich nicht nur die Latzhosen mit Logo, sondern auch die Hemdchen. Nun wissen wir alle, daß noch kein großes Unternehmen sich maßgeblich durchs Bleistiftzählen saniert hat. Aber irgendwo muß man anfangen und bei fast 600.000 Beschäftigten ergibt sich dann doch schnell ein Effekt in einer Größenordnung, die nicht zu vernachlässigen ist. Außerdem ist Corporate Identity zwar unbestritten etwas sehr Stilvolles und Kultiviertes, aber man muß sie sich leisten können. Ferner dürfte die Frage erlaubt sein, ob das im Produktionsbetrieb überhaupt notwendig und sinnvoll ist bzw. Positives bewirkt. Das darf bezweifelt werden. Denn würde diese Einkleidung zum Beispiel zu einer erhöhten Loyalität führen, müßten die Parkplätze wie früher nahezu ausschließlich mit Automobilen aus dem Hause VW belegt sein, was sie aber augenscheinlich schon lange nicht mehr sind. Die geplante Streichung scheint also problem- und folgenlos möglich und zielführend zu sein. Auch eine positive Außenwirkung wäre davon zu erwarten. Denn sicher fragen sich ob dieser Nachricht auch Millionen anderer Arbeitnehmer, die keine Kleidungssubvention bekommen, was den Volkswagenschrauber eigentlich bisher qualifiziert hat, daß ihm der Arbeitgeber offenbar grundsätzlich die Arbeitskleidung stellt. Das sind im übrigen genau die potentiellen Kunden, die von der Schummelaffäre ohnehin verunsichert sind, sich die überteuerten Kisten aus dem Kraft-durch-Freude(n)-Haus sowieso kaum mehr leisten können und jetzt eine Ahnung bekommen, warum die Preise so astronomisch gestiegen sind. Wenn man Vertrauen zurückgewinnen will, muß man Transparenz gewähren und guten Beispieles vorangehen. Also, das eine tun, und das andere nicht lassen! Natürlich braucht es zur maßgeblichen Kostenreduktion die gewichtigen Entscheidungen. Aber warum soll man nicht auch an kleineren Schrauben drehen und Erbhöfe beschneiden, wenn es um das große Ganze geht!? Jeder muß einen Beitrag – und sei er wie in diesem Falle sogar eher symbolisch – leisten, will er seinen Arbeitsplatz und den seiner Kollegen erhalten sehen. Niemandem ist geholfen, wenn die Besatzung einheitlich eingekleidet mit dem Schiff untergeht.

Jetzt kommt aber der Betriebsratschef Osterloh, der den Vorstoß grundsätzlich für „indiskutabel“ erklärt. Wörtlich sagt er: „Volkswagen könnte Milliarden sparen, wenn die richtigen Hebel bewegt ………….werden. Aber dass unsere ………. Kollegen unter ihren Latzhosen künftig mit freiem Oberkörper arbeiten sollen – das machen wir nicht mit.“. Als ob die fürstlich entlohnten 35-Stunden-Werker nicht auf eigene Hemden aus ihren prallgefüllten Kleiderschränken zurückgreifen könnten! Die Ehefrau wird auch nicht schimpfen, denn heute macht sich in der Automobilproduktion kaum einer noch schmutzig. Obendrein wird dem Schrauber praktisch der Arsch hinterhergetragen. Ein Knochenjob ist das schon lange nicht mehr! Und da riecht es nach Palastrevolution, wenn einem das Leibchen gestrichen werden soll!? Solange eine solche Haltung, die die wirklich Armen dieser Welt regelrecht beleidigt, vorherrscht und Bestand haben kann, geht es uns immer noch bei weitem zu gut. Und Menschen, die daraus ein Geschrei machen, dürften auch wenig bis gar kein Interesse an den wirklich entscheidenden Fragen und Problemen und deren Beantwortung und Bewältigung haben und zum Beispiel dazu neigen, die AfD zu wählen. Das hängt nämlich durchaus zusammen.

So zeigt sich an der Causa „Betriebshemd“ das große Defizit unserer Gesellschaft. Mit solch‘ vollgefressenen Wohlstandsbürgern lassen sich wohl kaum große Umbrüche und zukunftsweisende Richtungsänderungen gestalten. An dieser Ingnoranz und Selbstbezogenheit werden wir ersticken, wenn kein Umdenken erfolgt.

Also: Hemd aus, zum Gebet!

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

P. S.: Der IKEA-Gründer und Multimilliadär Ingvar Kamprad hat gerade verlauten lassen, er trage im wesentlichen Kleidung vom Flohmarkt. So sieht er zwar auch aus, und das ist vielleicht des Guten zuviel. Aber von nichts kommt eben nichts! Und Kamprad kann es sich leisten, seine Mitarbeiter alle in Ikea-Uniformen zu stecken. Das ist aber eben auch der Unterschied zwischen Eigentümern und angestellten Unternehmern. Die halten noch etwas von Dezenz und Bescheidenheit, während man bei VW nichts dabei fand, die Edelnutten für das Management auf Firmenkosten aus Mexiko einfliegen zu lassen. Auch an dieser bis heute fortwirkenden Unkultur muß der Hebel angesetzt werden. Und, Osterloh, bevor sie losschreien, da war der Betriebsrat immer fröhlich vorne mit dabei.

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wolfsgeheul.eu vom 08.03.2016

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„Billy“, Bauhaus für Arme, also Bauhaus im eigentlichen Sinne!

Gillis Lundgren, der schwedische Designer, der 1979 das Billy-Regal für Ikea schuf, ist mit 86 Jahren verstorben. Ihm gebührt durchaus Anerkennung für dieses geniale Bücher-Staumöbel, das bis heute unübertroffen in seinem Preis-Leistungs-Verhältnis und in seiner Schlichtheit sowie einfachen aber stabilen Konstruktion ist. Durch die massenhafte und preiswerte Herstellung ist es zu einem Produkt geworden, das die Tradition des Bauhauses und seine Grundgedanken, einfache, erschwingliche, formschöne und gleichzeitig genauso praktische wie geniale Möbelstücke für das Volk zu entwerfen und zu fertigen, nahezu vorbildhaft fortgeführt hat. Während also die Entwürfe der Bauhäusler heute überwiegend als Luxusmöbel in Wertigkeit und Preis daherkommen, findet „Billy“ Eingang in die Wohnungen von Alt und Jung und von Arm und Reich. Daß hätten sich die Dessauer bestimmt nicht träumen lassen, selbst einmal der Zulieferer für die vermögende Oberschicht zu werden und ihre Ideale später von einem schwedischen Möbelgiganten vertreten zu sehen.

Wenn Lundgren aber, zum Beispiel in einem kleinen Nachruf auf Spiegel-Online, auch mit der Tatsache würdigend hervorgehoben wird, er habe die geniale Idee gehabt, bei einem Sofa-Tisch die Beine abzuschrauben, um ihn leichter verschicken zu können, wird ihm zuviel der Ehre angetan, wenngleich es zugegebenermaßen immer wieder herausfordernd und die hohe Schule ist, bei einem Entwurf gleichzeitig an den platzsparenden Versand zu denken. Hier gebührt wohl eher den Brüdern Thonet die Krone, die ab den 1850er Jahren ihren Kaffeehausstuhl Nr. 14(heute Nr. 214) so konstruiert hatten, daß er zum einen arbeitsteilig in Serie gefertigt und zum anderen, weil er aus nur sechs Holz-Einzelteilen und zehn Schrauben sowie zwei Muttern bestand, zerlegt äußerst raumökonomisch – so passen 36 Stühle in eine Kiste von einem Kubikmeter Rauminhalt, die von Stühlen im zusammengebauten Zustand wohl kaum mehr als 8 Exemplare zu fassen vermag – expediert werden konnte. Auch der Däne Poul M. Volther zum Beispiel hat bereits in den 40er Jahren Holzstühle entworfen, die alle diegleichen Schraubbeine hatten.

Der Thonet-Stuhl aber, der im übrigen ansonsten das Schicksal der Bauhausmöbel teilt und heute fast 700 Euro kostet, macht deutlich, was industrielle Fertigung, kluge Verpackung und weltweite Vermarktung vermag und damals schon vermochte. Steht man eventuell staunend vor der Zahl von über 40 Millionen Billy-Regalen, so haut es einen geradezu um, wenn man zur Kenntnis nehmen muß, daß vom Kaffeehaus-Stuhl mit der Nummer 14 bis heute über 50 Millionen Exemplare verkauft worden sind. Vom Massenprodukt zu Luxusgegenstand in gut 150 Jahren!

So preisen wir denn gerne im Namen unserer Bücher Herrn Lundgren, aber seine Leistung benötigt es nicht, mit fremden Federn geschmückt zu werden. Das „Billy“ wird ihn (hoffentlich) noch lange überleben und ihm ein würdiges Andenken bewahren.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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