wolfsgeheul.eu vom 30.11.2016

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Eine unabhängige Presse sichert unsere Freiheit und gibt den Menschen die Möglichkeit, sich frei zu informieren. Dieser systemerhaltenden Funktion kommt sie aber augenscheinlich nicht immer mehr in ausreichendem Maße nach und trägt deshalb eine gehörige Mitschuld an der aufkeimenden Unzufriedenheit in unserer Gesellschaft, selbst wenn zu unterstellen ist, daß die tumben Schreihälse gegen die „Lügenpresse“ kaum des Lesens mächtig sind und damit gerade respektable Zeitungen ohnehin nicht konsumieren.

Trotzdem erscheint die Frage berechtigt, was von der Unabhängigkeit von Presseorganen zu halten ist, die – pars pro toto – wie die FAZ in ihrem „Technik und Motor“-Teil folgenden redaktionellen Hinweis abdrucken:

„Ein Teil der in Technik und Motor besprochenen Produkte wurde der Redaktion von den Unternehmen zu Testzwecken zur Verfügung gestellt oder auf Reisen, zu denen Journalisten eingeladen wurden, präsentiert.“

Ja, leider! Zu ergänzen wäre ehrlicherweise, daß der Rest aus zumeist einfältigen, immer spießiger werdenden Meinungen und ungeprüft übernommenen Pressetexten zusammengestöpselt ist. Die Nostalgiker erinnern sich wenigstens an ein gehöriges Lesevergnügen dieser Dienstagsbeilage, aber selbst das ist weitestgehend vergangen. Da waren aber noch Genießer, Enthusiasten und Schreibakrobaten am Werke und nicht industriespeichelleckende Legastheniker, die ihr Reihenhäuschen für den Mittelpunkt der Welt halten.

Ein weiters Beispiel gefällig? In der letzten Ausgabe wird halbseitig der größte SUV-Panzer „Q 7“ von Audi als Plug-in-Hybrid mit Diesel und Allradantrieb „getestet“. Daß die unförmige Karre quasi designfrei und überteuert ist sowie trotz ihrer immensen Größe lediglich fünf Personen Platz bietet wird zwar erwähnt, aber ansonsten fehlen gänzlich kritische Worte zur grundsätzlichen Berechtigung solcher 2,5 Tonnen schweren Riesenschiffe. Statt dessen darf man lesen, wie der Autor Holger Apfel offenbar tagelang stolz seine Blagen mit diesem Auto zur Schule gefahren hat und sich für die souveräne Fahrweise – keine Kunst, denn wer einmal LKW gefahren hat, wie ich, weiß um das Gefühl – dieses Autos begeistert.

So ein Artikel ist genauso überflüssig wie der damalige zur lächerlichen Klafs-Sauna(s. Kolumne vom 07.07.2016) und leider viele andere. Da könnte man gleich Audi-Werbetexte abdrucken. Der einzige Unterschied wäre, daß die wegen ihrer teuren Designabteilung fälschlicherweise davon ausgehen, daß ihre Produkte sehr wohl eine erkennbare Gestaltung aufweisen.

Wofür werde ich eigentlich Journalist? Um mich mit weit über dem eigenen, privaten Budget liegenden Reisen, Luxushotels, edlem Essen, ausreichend Nobelalkohol und Nutten zum willfährigen Sprachrohr der Industrie machen zu lassen!?

Und was bedeutet diese Tendenz für den übrigen Journalismus? Läßt der sich ebenso beglücken und beeinflussen?

Dabei ist es so einfach! Wer sich nicht in diese beeinflussende Gefahr begibt, kommt auch nicht darin um. Die Leser werden kritische, eigenständige Testberichte dankbar goutieren, auch wenn sie anderer Meinung sein sollten.

Also fangt doch bei bei den Technikfuzzis an. Statt die Einladung nach Kapstadt anzunehmen und die ersten Kilometer mit einem neuen, angeblich tollen Auto auf der Traumroute entlang der Zwölf Aposteln – das genießt man, wenn einem nicht wie meiner Ex-Frau ob meiner forschen Fahrweise, die die Strecke einfach herausfordert, wenn man es beherrscht, schlecht wird – übrigens auch in einem biederen Nissan Sentra, wie ich aus eigener, lange zurückliegender Erfahrung weiß –  abzuspulen, mietet euch die Kiste einfach bei Sixt und fahrt damit durch den Taunus. Weiter kommt ihr privat doch auch eher selten! Und sich fern von einem Geschmäckle zu halten und wirklich unabhängige Testberichte zu verfassen, dient unserer Freiheit und dämpft die bedauerlicherweise nicht immer unberechtigte Skepsis allem und jedem gegenüber in der Bevölkerung.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

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wolfsgeheul.eu vom 07.07.2015

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Die Verwandlung

Man stelle sich vor, ein Mann wacht morgens auf, (sieht keinen Rollstuhl neben seinem Bett,) erhebt sich mühsam, schlurft schlaftrunken Richtung Bad, öffnet die Tür und es trifft ihn fast der Schlag. Wo früher die Designerwanne frei im Raum stand, macht sich ein gläsener Eßtisch umringt von zehn weißledernen Chromfreischwingern lang, anstatt des opulenten Doppelwaschtisches findet er eine breite, schwarze Schleiflackanrichte für die Audio- und TV-Technik vor, die ehemalige Glasdusche hat sich mit mehreren Glasböden in eine beleuchtete Vitrine mit Ferrarimodellen, Grappaphiolen und anderem Schnickschnack darin verwandelt, anstelle der kleinen Dampfsaunakabine brummt ein Weinschrank mit Glasfront leise vor sich hin, der Eckwhirlpool ist einer puristischen Sofalandschaft gewichen und statt Toilette und Bidet prunkt der obligatorische Eames Lounge Chair mit passendem Hocker. An den Wänden hängen wenige minimalistische Litographien. Wenn der besagte Mann belesen wäre, liefe er Gefahr, verrückt zu werden. Wie konnte es so weit kommen? Langsam erinnert er sich.

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Obige, verstörende Geschichte spielt sich in der Zukunft ab. Ihren Anfang nimmt sie heute nach der Lektüre der FAZ. Irgendein vermögendes, bücher- und kulturlos lebendes Pärchen sitzt im karg möblierten Penthouse, und er – wie schon so oft – träumt den Traum von einer schönen Sauna, wie man sie auch gestern wieder bei Freunden neidisch bestaunen durfte. Er grummelt verärgert, man habe aber leider dafür keinen Platz im Bad, und versucht sich wenig erfolgreich damit zu beschwichtigen, daß man es doch auch so ganz schön und komfortabel habe. Da fällt sein Blick auf Seite T2 des „Technik und Motor“-Teiles und er beginnt zu frohlocken. „Schwitzen im Wandschrank“ lautet die Überschrift und unter dem Artikel ist ein zu dreivierteln verglaster Edelholzschrank im Wohnambiente abgebildet. Begierig liest er den Bericht, für den zwar eine Monika Schramm verantwortlich zeichnet, der aber mutmaßlich überwiegend aus den Werbeunterlagen der Firma Klafs abgeschrieben wurde. Da gab es wohl viel Champagner, edle Häppchen und nette Giveaways bei der Präsentation der neuen Sauna S1!? Jedenfalls hat es die nahezu komplette Lähmung der journalistischen Ehre bewirkt, so daß es gerade für die Überschrift gereicht hat und danach als eigener Satz noch „Den versammelten Zuschauern entlockte das ein staunendes „Aa-aahhh““ folgt. Nicht unter Drogen stehende Schreiberlinge hätten doch mit großer Sicherheit schallend gelacht und danach irgendetwas Witziges oder Kritisches statt Werbung zu Papier gebracht!?

Die tolle, führende Schwitzkastenbude Klafs hat in dreijähriger Entwicklungszeit – hört, hört, es war also Zeit genug, das Projekt als schwachsinnig zu erkennen und zu stoppen – dieses sensationelle Produkt S1 entworfen; in drei Längen und Holzvarianten erhältlich ist der schrankähnliche Körper im Normalzustand 2,11 Meter hoch und nur 60 Zentimeter tief und läßt sich bei Bedarf zur Nutzung auf 1.6 Meter ausfahren. Der Kasten ist nur als Sauna zu gebrauchen, was man auch durch die Glasfront unschwer erkennt; wer es nicht sehen will, kann – für ein Wohnzimmer mit Schlafraumambiente auch ein großartiger Einfall – verspiegelte Scheiben ordern. Die Idee ist, daß der moderne Städter keinen Keller und kein ausreichend großes Badezimmer besitzt und deshalb nicht nur geneigt, sondern begierig ist, endlich den unbändigen Saunawunsch im Wohnraum verwirklichen zu können.

Vielleicht wäre es für die FAZ eine amüsante Idee, demnächst in loser Folge uns die reichen urbanen Idioten vorzustellen, die sich diesen kostspieligen Apparat tatsächlich zulegen und damit ihren „living room“ verschandeln.

Man sieht Mutti schon mit dem Feudel wedeln, wenn er nach dem ersten Vitrinensaunagang, bei dem sie krampfhaft zum Fernseher geschaut hat, um ihren nackten Mann nicht lächerlich im Schrank liegen und schwitzen sehen zu müssen, heraustritt und seinen Schweiß fröhlich auf das Edelholzparkett oder den Seidenteppich rinnen läßt. Auch seine Idee mit den Schüsseln mit kaltem und warmem Wasser vor dem Sofa für die Fußbäder findet ihre Zustimmung nicht. Und wenn er sich das erste Mal in die neben der Sauna platzierte Hydrokultur erleichtert, wird spätestens der Punkt erreicht sein, an dem ihr der Geduldsfaden reißt. Da die teure Edel-Bretterbude aber nirgendwo anders Platz finden kann und nicht zum Steakreifeschrank umgebaut werden soll und dafür auch zu groß ist, wird sich das Paar der normativen Kraft des Faktischen ergeben und nach und nach ihr Wohnzimmer zum Bad umbauen, eine Toilette, eine Schwalldusche mit Wasserschlauch installieren, den Boden kacheln und abwaschbare Ruheliegen statt des schwarzen Ledersofas aufstellen. Der verlorengegangene Wohn- Eßraum wird dann sukzessive in das zwar kleinere aber glücklicherweise trotzdem großzügig bemessene – man hat es ja – Badezimmer verlegt werden. Und so schließt sich der Bogen zur einleitenden Geschichte!

Da mutier‘ ich doch fast lieber zum Käfer.

Gute Nacht!

Ihr/Euer Wolf

 

 

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